Träume sind Schäume, weiss der Volksmund. Und Schäume sind ein wenig haltbares Gemisch aus Flüssigkeit und Luft, welches keinen Bestand hat, also aufgrund seiner Flüchtigkeit nicht wichtig oder relevant erscheint.

Fragt man zehn Menschen in seinem Umkreis, ob sie sich spontan an einen Traum erinnern können, haben sechs von ihnen kaum oder keine Erinnerung, drei können sich an Ausschnitte erinnern, einer hat sofort viele Träume auch von vor Jahren parat und kann eine ganze Stunde mit deren Erzählung füllen.

Fakt aus der Schlafforschung ist: Jeder träumt, bei jedem Nachtschlaf, mehrfach und viel. Träume sind der Ausdruck eines anderen Erlebens, welches im wachen Zustand nicht gänzlich zugänglich ist. Die analytische Psychologie spricht von Wach- und Traumbewusstsein.

Beide Zustände erleben Sie bewusst, d.h. Sie nehmen sich selbst in einer Umgebung wahr, in der das Empfinden und die Sinne wesentlich das Erlebte bestimmen. Das Wachbewusstsein erleben wir als „real“, den Traum hingegen als flüchtig, wenig greifbar oder „unrealistisch“. Nach einem Traum sagen wir Dinge wie:

  • „Ich habe nur wirres Zeug geträumt.“
  • „Es ist das eingetroffen, was ich geträumt habe. Das war schon oft so.“
  • „Die Lösung zu allem habe ich im Traum gesehen.“
  • „In der letzten Zeit hatte ich viele Albträume, die waren schrecklich, aber ich habe sie zum Glück vergessen.“

Mit dem Traumbewusstsein verbinden sich Inhalte des wachen Erlebens und umgekehrt. Es entsteht dadurch ein Zugang zu dem, was wir Unbewusstes nennen – also dem, was wir nicht über uns oder die Welt wissen, aber eine Ahnung davon haben. Man spricht auch von den verschiedenen Qualitäten des «Ich-Bewusstseins». Wie die obigen Beispielaussagen zeigen, ist der individuelle Zugang dazu sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Leider erfahren in dieser Hinsicht sensible Menschen durch ihr Umfeld häufig eine Abwertung der Fähigkeit, sich an Träume zu erinnern, oder sie selbst halten ihr Traumerleben für unwichtig. In vorwissenschaftlich geprägten Kulturen und Gesellschaften galten der Schlaf und schlafähnliche Zustände (vgl. Trance oder Hypnose) als wesentliche Verbindung zum Göttlichen und anderen Bewusstseinssphären, die dem irdischen Leben nicht zugänglich sind. Sinn und Aufgaben des weltlichen Daseins fanden in diesem Erleben Entsprechung und Richtung. Bereits in der griechischen Mythologie deutet Hypnos (der Schlaf) in der Verwandtschaft mit dem Bruder Tartaros (der Tod), seinen Söhnen Phantasos (Fantasie), Phobetor (Schrecken) und Morpheus (Erscheinung) eine symbolhafte Verbindung zur Unterwelt (dem Unbewussten) an.

Durch Erzählen eines erinnerten Traumgeschehens im Wachen entsteht eine Verbindung zu unbewussten Inhalten. Der Begründer der analytischen Psychologie (C.G. Jung) nannte es die Flexibilität des Ichs. Ihr wird ein therapeutischer Wert zugesprochen, denn ein Traum ist auf dieser Grundlage auch verstehbar als „ein eindrückliches Erlebnis im Schlaf, das wir im Wachen einigermassen erinnern können, das etwas über unsere im Moment zentrale Lebenssituation aussagt und zu mannigfaltigen kognitiven und emotionalen Verbindungen anregt, das Veränderung bewirkt“.

In der modernen Behandlung hat sich diese über Jahrhunderte praktizierte Methode als hocheffektiv erwiesen, wesentliche Hinweise auf das Wesen des zugrundeliegenden seelischen Konfliktes zu erarbeiten. C.G. Jung spricht von einer „spontane[n] Selbstdarstellung der aktuellen Lage des Unbewussten in symbolischer Form“. Es werden in der therapeutischen Behandlung durch Traumarbeit also Zustandsbilder der eigenen seelischen Situation zugänglich.

Die Arbeit mit Träumen kommt häufig dann zur Anwendung, wenn Veränderungs- oder Übergangsprozesse mit nachhaltigen seelischen Belastungen das Tagesgeschehen überlagern und empfindlich einschränken können. Das ist ganz überwiegend bei Depressionen und Ängsten der Fall. Das sorgsame Durcharbeiten des Traumerlebens oder der Hypnoseerfahrungen (schlafähnlicher Trancezustand) gibt sehr zielgerichtet Auskunft zu den Themen, Konflikten oder Komplexen, die dem seelischen Erkrankungszustand zugrunde liegen.

Die Arbeit mit Träumen ist ein höchst wirkungsvolles therapeutisches Werkzeug. Ganz allgemein geschieht dadurch eine Anregung der seelischen Selbstregulationsfähigkeit zur Wiederherstellung der inneren Balance. Träume sind Schäume – diese Verbindung von gedanklicher irdischer Welt und Seelenwelt zeigt damit ganz eindrücklich auch den positiven Charakter seelischer Belastungen als Triebkraft für den ur-menschlichen Prozess von Wachstum und persönlicher Entwicklung.